Landreisende

Und das am Horizont verschwindende Land bleibt auch, was es ist. Nur, daß es nicht mehr zu sehen sein wird, je stärker der Wind zupackt. Es liegt dann im Osten. Auch Hamburg, von wo aus Anne in See gestochen ist.

Auch Berlin bleibt dort, wo es liegt.

Der große rot-schwarze Klecks mit seinen Unbegrenztheiten und seiner Uferlosigkeit.

Baumschulenweg, Späthsche Baumschulen. Kleingärten.

Ein grünes Bild mit Wasserstraßen.

Wo die Grenze war, als Rot und Rot noch keine Koalition eingegangen waren, als die zwei Welten noch markiert wurden durch Schützen, die rufen:

„Hände hoch!“

Und wer es nicht tat, wie der junge Mann, der noch zu jung war, um zu wissen, daß die Mauer fällt in acht Wochen und in den Kanal springt, die Grenzen überwindet und in den Kleingärten verblutet. Ein Opfer mehr des Kalten Krieges, nachdem der Weltkrieg längst vorbei war.

Da versteht man schon, daß die Leute alles hinter sich lassen und sich lieber dem Meer anvertrauen um neues Land zu sehen. Das gelobte Land. Und was singen dann die Chöre?

Jetzt sind die Soldaten nicht mehr zu sehen in den Gärten. Wie gut, daß jetzt die Gärten die Welten trennen und nicht der Stacheldraht die Gärten

Daß in den Gärten die Türken, die Ossis und Wessis sitzen und die Sonne suchen und die Stadt ist weit weg.

„Buden bauen!“ singt der Chor.

„Hütten errichten!“ singen die Zeitungsverleger.

„Versteck spielen“, sagen die Skeptiker und die Kinder aus jeweils sehr verschiedenen Gründen.

„Bis uns der graue Alltag wieder hat“, seufzen die Rentner.

Nein, Anne war nie in der geteilten Stadt.

Aber der Autor.

Und vielleicht ist D. vom Strand, wo das Schiff lag, gelaufen und gelaufen, schnurstracks gerade nach Osten, bis er in andere Städte kam und schließlich den Funkturm und zuallererst den Fernsehturm, gebaut von der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik, sieht – in der Ferne. So konnte er nach Hannover kommen, nach Münster vorher, bis die Preußen ihn hatten.

Spandau. Charlottenburg.

Wo ist er jetzt? Er hält Vorlesungen in der altehrwüdigen Humboldtuniversität zu Berlin und steht hinter den altmodischen Kathedern.

Über russische Geschichte.

Etwas verkleidet.

Keiner erkennt ihn und alle sind begeistert.

Aber als er sagt, daß es Gott gibt, der ihn führt.

Zu Fuß. Er lenkte seine Schritte bis Mitte.

Nein, dann ist es genug.

Sie werfen ihre Kaftane in die Vorgärten und finden, Rußland hat keine Aufklärung. Und die Mode ist auch – wieder einmal – vorbei. Einige meinten, vorab ein gewisser W. von der Berliner Zeitung, die Nummer sei nun gegessen. Auf zur nächsten! Dostojewski ist doch schon lange tot. Wie auch Tolstoi. Erstaunlich, was in Rußland jetzt wieder für Blütenträume reiften.

Nieder mit dem Zaren!

Es lebe die FRANKFURTER SCHULE.

Es lebe Paris und das kleine Paris in Mitteldeutschland. LEIPZIG.

„Leipzig nicht!“, riefen einige dazwischen.

„Warum nicht ?“

„Das verschweigen wir!“

„Gebt euch zu erkennen!“

„Wir freuen uns über jede Nebelschwade und das fahle Licht der Dämmerung.“

„Wir sind die Dunkelmänner!“

„Eine richtige Montagsdemo wird das jetzt!“

Und das am Horizont verschwindende Land bleibt auch, was es ist. Nur, daß es nicht mehr zu sehen sein wird, je stärker der Wind zupackt. Es liegt dann im Osten. Auch Hamburg, von wo aus Anne in See gestochen ist.

Auch Berlin bleibt dort, wo es liegt.

Der große rot-schwarze Klecks mit seinen Unbegrenztheiten und seiner Uferlosigkeit.

Baumschulenweg, Späthsche Baumschulen. Kleingärten.

Ein grünes Bild mit Wasserstraßen.

Wo die Grenze war, als Rot und Rot noch keine Koalition eingegangen waren, als die zwei Welten noch markiert wurden durch Schützen, die rufen:

„Hände hoch!“

„Wir sind das Volk!“

„Wir sind das Volk!“

Und so ging es noch lange.

Und i c h ?

Ich laufe nicht wie Seume im 18. Jahrhundert nach Rom. Etwa durch Sachsen. Etwa durch die Seenlandschaft Brandenburgs, benutze nicht Boote und Fähren und komme schließlich an, um eine Reisebeschreibung reicher. Nein, ich fahre nicht mit der russischen Eisenbahn quer durch Deutschland – der Protestantische Norden – um vor Preußens Gloria und in seinem Glanz zu landen. Nicht jenseits des Mains. Vor den hohen Bergen auch.

Der Autor – Ich – setzt sich in seinen Diesel, gibt Gas, hat einen Schlafsack, wenn alle Stricke reißen. Benutzt sein NOKIA, um Kontakt zu halten. Möchte zwar manchmal langsam fahren wie im Urlaub.

Und kommt an im SYSTEM.

Es sind Formeln ausgerechnet worden, wo alle Faktoren zur Geltung kommen und so der kleinste Nenner gefunden wird zur Erhaltung der ungebremsten Dynamik zum Schein.

Im System.

Hat er gehört.

So steht es auch in den Hochglanzkatalogen.

Und der Co-Autor, an sich Spezialist für

amerikanische Fragen?

Hat sich auch auf und davon gemacht von dort, wo die Moderatorin Platz genommen hat an ihrem gläsernen dreieckigen Tisch mit dem ständigen Mikro herunter gebogen am Mund, die Gräfin einmarschiert ist und der Gaul die Wellen teilte. Es war ihm zu viel. Segel. Nein.

Diese wirren Matrosen vom Dienst und der Kapitän in seiner Kapitänskajüte wie in einem Abenteuerroman aus dem 18. Jahrhundert. Und immer noch zu Darwins

Zeiten. Und vielleicht heute auch noch? Wer ist der Veranstalter?

Mit den Perücken und so. Die du mit dem Ausklopfer ausbürsten mußt jeden Tag. Vorsichtig. Alle lehnen sich über die Reling bei haushohen Wellen und kotzen das Meer voll. „Es geht unter. Es geht unter“, rufen alle durcheinander.

Die ganze bunte Truppe hat ihm nicht gepaßt. Er haßt Schiffsböden, die geschrubbt werden müßten. Von wem? Von dem Personal. Die Gäste womöglich mit.

Er paßt und geht wie Dostojewski zu Fuß. Aber nicht nach Osten. Sondern nach Südosten. Von der Nordsee aus gesehen. Er geht am Rhein entlang und schwenkt dann ein nach links, streng nach Osten und kommt in die häßlichste Stadt aller Städte. Nach Frankfurt am Main. Most. Most. Wo die amerikanischen Wolkenkratzer stehen, die das Geldgeschäft bestimmen und das Papier bedrucken, welches Auskunft gibt über den Untergang der Geschäfte mit dem Geld. Und dem Aufstieg.

„Börse, ja Börse“, rufen die Börsianer und kommen ihm schon entgegengelaufen, weil sie ihn gesehen haben von ferne. Von ihren hohen Türmen aus, die den Main bevölkern. Wo er doch sehr bald in den Rhein mündet. Und auch die FAZ macht ihm Komplimente, weil er als konservativ gilt bei einigen seiner Kollegen. Die Kolleginnen amüsieren sich und haben keine Meinung.

Da ist die Welt noch in Ordnung.

Was man von Berlin überhaupt nicht sagen kann.

Dort bekommt man zuerst einmal einen Schock und dann noch einen Elektroschock und dann ist man wie gelähmt, weil alles THEATER ist und KUNST. Da war wirklich die DDR besser dran und Ostberlin als Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik Da wäre ja sogar ganz Berlin besser dran gewesen, wenn es russisch geblieben wäre, so wie es vor den Amerikanern war. Warum mußten die auch Thüringen und Sachsen verlassen. Immer diese Symbolpolitik. Dann gäbe es keine geteilte Stadt. Und der Himmel der Philosophen wäre auch nicht geteilt und auch nicht der von der Landsbergerin Christa Wolf. Dann wären wir auch nicht so christlich. Viel zu viel: 30 Prozent in einer christlichen Kirche. Das gibt es doch gar nicht. 10 Prozent reichen. So wie Leipzig oder Dresden oder Erfurt. Na ja, nun ist es so wie in Thüringer Dörfern. Da sind es auch dreißig. Bißchen mehr manchmal, wo der Mond die Zeit bestimmt, die wir hatten und die ist und die kommt. Ja, was denn. Wir wissen gar nichts. Matthias Claudius hat Recht.

Also der Co-Autor. Er muß hier neu eingeführt werden: heruntergelaufen, gepilgert vom schönen Nordseestrand zwischen Hamburg und Bremen in einer Linie, die zum Rhein führt, bevor er in die Niederlande abbiegt.

Na, ja Ruhrgebiet, Rheinland, NORDRHEINWESTFALEN.

Rhein. Main. Dichtest besiedeltes Gebiet.

Rheinischer Katholizismus. CDA-FLÜGEL USW.

Rheinhessen. Mainhessen. Weinhessen.

Ackermann hat seine Späher. Abends trinken sie einen goldenen Becher leer.

Genau.

Die haben ihn ausgemacht und sind ihm entgegengekommen, als er noch auf dem Feldweg war

vor der Autobahntangente Nord-Süd.

„Tempel des Satans“, war sein erster Gedanke.

Die Rechtsgebäude.

Groß und hehr.

Die Sparkasse klein dagegen, wenn auch aus Glas.

Aber das Rathaus.

Der RÖMER.

Schulen.

„Wie Leipzig“, fällt dem Ossi da ein und sagt das einem Wanderkollegen ins Ohr.

Oberstes Gericht.

Bank und Kirche.

Sind das die drei, die ein Gemeinwesen ausmachen.

Ja, repräsentative Demokratie.

Eindrucksvoll.

Die Towers.

Ziele.

Die Paläste der Gerechtigkeit? – Kirchen?

Ja, die drei Größen in Leipzig.

JETZT AUCH. HERAUSGEPUTZT:

RECHT. GELD. TEMPEL.

Und in dem schönen Frankfurt am Main, wo einst Johann Wolfgang von Goethe geboren wurde. Und in dem schönen Leipzig in dem noch schöneren Sachsen, wo Johann Wolfgang Goethe einst studierte und viele andere auch.

Nun aber in Hessen links und FULDA SCHWARZ.

BONIFACIUS, der es ihnen gesagt hat.

Rhön.

ROTES MOOR UND SCHWARZES MOOR.

Thüringen. Bayern. Hessen.

Kein Fluglärm. Nur sanftes Gleiten. Wenn die Segler nicht auf dem Wasser sondern in der Luft ihr Ziel ansteuern.

Westerwald? War da nicht einmal etwas.

Ein Nachspiel zum Hauptstück.

In Berlin hast du beides.

ALPHA POINT und Steglitz.

„Nein, das meine ich nicht“, sagt der Autor zu seiner Frau, die ihn in- und auswendig kennt.

Der Co-Autor ist noch neu.

Das war die Geografie unserer Autoren, nachdem das Abenteuerschiff in See gekommen war unter großem Aufwand der Matrosen und aller Anwesenden.

Weil sie Angst haben, mit einem Segelschiff nach Amerika zu fahren.

Ob D. erkannt wird –

und damit wieder gefunden wird für die Geschichte –

weiß niemand.

Der Co-Autor

wird sich in eine Maschine in Frankfurt am Main setzen

und dann eher da sein als Anne.

Wenn überhaupt.

Vom Autor ganz zu schweigen.

Vielleicht klappen wir auch das Buch zu.

Wir werden sehen.

„Danke bis jetzt fürs Zuschauen. Ihre Autoren.“

Es kann sein, daß uns der Stoff ausgeht, obwohl er so in Fülle und Überfülle vorhanden ist.

Unbeschreiblich,

denken Sie nur an Nietzsche, wie er immer wieder nach Hause gekommen ist in diesen Pfarrwitwensitz mit den zwei unverheirateten Tanten, der Mutter und Schwester. Und natürlich einem Dienstmädchen.

Wenn wir dem nachgehen würden…, während unsere Anne sich auf dem Schiff herumtreibt wo es drunter und drüber zugeht und sie die Richtung verlieren, weil die Klimakatastrophe den Kompaß zum Stillstand bringt. Oder sie schon viel zu weit sich dem Magnetpool genähert haben. Daß die Nadel springt.

Der Käptn wie ein Fels in der Brandung.

Er wird das Schiff retten und die Matrosen anfeuern,

sich zu erinnern, was Disziplin bedeutet auf See.

Trotzdem.

Es muß sein.

Es hat sich noch nicht erübrigt. Noch lange nicht.

Dieses ganze 19. Jahrhundert hat den Urknall vorbereitet für die letzten Jahrzehnte, die wie Ewigkeiten auf uns lasten, während andere frei sind. Wenn da nur Keller wären und Fontane, Storm und Raabe. Die schönen Bücher in unserer Bibliothek, auf die wir so stolz sein können.

„Gelt, das ist ein Schatz.“

„Ja, ja.“

„Was sagst du Fjodor?

Schweigen?

Hast du nicht gehört?“

Jedenfalls Nietzsche zu Hause. Sein Vater längst tot und ein Bruder und immer die Kirche im Blick. Wenzel. Wir sind schon schockiert von seinen Ausfällen und wissen es nicht genau, ob es nicht besser gewesen wäre, die Brennnesseln nicht von seinem Grab in Röcken zu entfernen in einem studentischen Einsatz kurz vor 1989.

Präfaschistisch? – Nein, missbraucht!

In Sachen Wirkungsgeschichte war die Evangelische Kirche schon immer ein Waisenknabe und vielleicht das gesamte linksliberale Bürgertum mindestens ebenso.

Hitler hat begeistert Nietzsche gelesen. Goebbels. Sie haben nicht irgendjemanden gesucht, dem sie ihre Ziele in den Mund legen konnten.

So einfach ist das nicht.

Sie haben ihn mißverstanden?

Sie haben Wagner mißverstanden?

Ich möchte die Fragen im Raum stehen lassen und mich dem Schiff zuwenden, das allmählich seinen Kurs findet. Die Matrosen sollen ja lernen, ein Schiff zu führen. Die Passagiere sollen eine Therapie machen. Angst erfahren. Damit sie an Land nicht vor dem kleinsten Problem davonlaufen. Mal sehen, ob das gut geht. Es sind ja sehr bunte Figuren.

Natürlich war er sehr froh, endlich in die Freiheit zu kommen. Heraus aus der Pensionärsstadt. Der Beamtenstadt. Obwohl Schulpforta im Tal der mitteldeutschen Weinberge Heimat genug ist, um nicht vergessen werden zu können. Max Klinger wußte das auch mit seiner wilden Seejungfrau im Schaumbad des Meeres. Bonn. Theologie und Philologie. Das Meer erkunden mit Odysseus .

Hoffentlich wird das keine Irrfahrt mit Anne auf dem Meer. Und Zyklopen. Und ewige Heimfahrt.

Hexen und Götzen in der Dämmerung.

Du kannst dich ja so leicht….

Darüber müssen wir gar nicht reden.

Wer fängt dich auf? Wer hält dich fest?

So fest, daß du nicht fällst, wenn du stürzt.

Wer gebietet den Winden Einhalt.

Armer Bruder aus Röcken. Arme Schwester.

Die Sonne ist längst untergegangen und Nebel liegt über den Wassern und jeder hofft auf das erlösende Wort der Schöpfung. Sie steigt wieder auf am Morgen über dem Meer.

Odysseus findet heim nach dem großen Krieg.

Während sich die Autoren vor dem Meer grauten, weil die Materie nicht die ihre war. Sie hatten nicht genügend Ehrfurcht vor der Weite des Meeres und seiner Ungewißheit. Und als sie den Staub der Stadt und Straßen aufwirbelten vor lauter Angst, die Wassermassen könnten ihnen nachkommen, duckte sich Dostojewski hinter den Büschen Berlins, besonders im grünen Gürtel zwischen Berlin Süd- West und Berlin Süd-Ost. Er benutzte heimlich im Winter die Lauben und feilte so lange an den Schlüsseln aus Aluminium – aus Ostzeiten – bis die Schlösser sprangen und die Matratzengrüfte für den russischen Dichter das beste Versteck des Jahres bildeten. Denn um alles in der Welt wollte Dostojewski nicht entdeckt werden im wiedervereinigten Berlin. Nein, da hatte er eine eigentümliche Abneigung. Dabei wäre es so einfach gewesen in den Touristenströmen unterzutauchen in altrussischer Kleidung zur Berlinale.

Ich habe Lust, mich wieder mit ihm heimlich oder unheimlich zu treffen oder auch auf dem Boulevard von Wim Wenders mit Stern, Stern, Stern aus Messing und Gold. Also geh ich zu seiner Hütte Späthsche Baumschule, da wo die Flucht gelungen war, wenn auch nur mit schweren Verletzungen wie im heißen Krieg, und wecke ihn nicht, sondern schiebe einen Zettel unter die Tür. Und tatsächlich am Abend gehen wir um den Müggel und ich halte meine Monologe.

Was ist mit der Frankfurter Schule. Darf sie Leute entsenden mit und ohne Doktorhut, die Lieblosigkeiten empfangen haben wie Schläge in ihrer Kindheit und nun gegen alles wettern wie der Gegengott von Donar, was nur annähernd nach Haus und Hof, Familie, Volk und Vaterland gesetzt ist, weil sich doch alle sehnen nach einem Dach, Vermehrung und Fruchtbarkeit, kurz NATION von NATUS – geboren. SEIN und ZUSAMMENLEBEN. Dieser Typ wedelt sich Luft zu mit dem Gänsekiel des Pfaffenhasses.

Na, du weißt schon, wer es ist. FREIES WORT, BERLINER ZEITUNG. Die, die behaupten, Hegel sei der Vorläufer von Marx und wer nicht so denkt wie wir, bekommt Denkverbot:

Wir nennen das Freiheit für die Andersdenkenden. Wir fordern das. Aber wir werden einen Scheiß tun. Na, ja, Sarrazin. Ich liebe ihn auch nicht. Wer tut das schon. Ich hoffe seine Frau. Jetzt kommt die ganze Familie dran.

Wir sind eben nicht in Luxuswolle verpackt mit Guthaben aus über 60 Jahren.

Verstehst du das DOSTOJEWSKI ???

Verstehst du das, was Du nicht liest in der Deutungshoheit dieser Affen. Nein, nein Wim Wenders meine ich nicht. Er hat ja Recht, daß wir verloren sind, wenn wir nicht in den Morgen tanzen. Aber dass wir auch verloren sind, wenn wir keine Schuhe mehr haben, um über den glühenden Asphalt zu gehen, müßte er doch von den Romantikern wissen, die geschrieben haben von der Katze auf dem sonnenüberfluteten Blechdach und der Endstation Sehnsucht.

Oder er müßte es wissen wie der Dramatiker an der Oder. Wenn du dort über die Oder willst im harten russischen Winter.

Und die Schollen kommen.

Und die Amsel im Strauch.

Strauchdieb du. DOSTOJEWSKI.

Was treibst du.

Laß doch den Böll in seinem Tagebuch von der glücklichen Insel. Du bist jetzt auf dem Grenzstreifen und wir erkunden die Welt. Weil es sie nicht mehr gibt. Die Grenze. Aber die Welt. Und GRENZENLOS: Das ist eine große Gefahr. Komm an deine eigenen Grenzen. Suche Gott. Und finde ihn in dir selbst.

Übung.

Also D. kam an die Oder.

Er kam unter die Linden. Er trat zur Berlinale auf im historischen Kostüm wie der Verrückte in Weimar. Er hat den Zettel gelesen. Die Adresse hat gestimmt. Die Szene funktioniert kurz vor Kreuzberg und Neukölln.

Da ist mir die Sarah lieber, als dieser Mann von der Frankfurter Schule, den sie eingestellt haben um zu schreiben.

Die Araber können zwar ihre Schuhe ausziehen wie Moses und Gott Paroli bieten oder mit Gott den Tyrannen, dann kommen aber neue und vertreiben wiederum diese u. s. w. Bis die Langeweile der Demokratie funktioniert. W. original. Kein Doktorhut, um dieses aufzusammeln und zu entsorgen?

Fade.

Fjodor, welches Thema hast Du? Daß die Bayern Berlin aushalten zu einem Drittel. Und die anderen alle. Jedenfalls Württemberg? Beim Geld hört die Freundschaft auf. Aber den Hauptstadtbonus muß es doch geben. Die Höflinge und all diese? Die geballte Schreibkraft.

Tribut. Tribut hallt es von den Hängen am See zurück, wenn du es hineinrufen solltest.

Byzanz, Byzanz hat die Luft zerrissen, als in Leipzig das Volk rief wir sind das Volk.

„Berlin, Berlin, wie haste dir verändert. Keene Stadt mehr. Keene Idylle. Keen Pfuhl mehr und keene Sünde, die ham se abgeschafft. Gott ooch. Deswejen ist der Pfuhl och ken Puhl.

Ne. Das is er nich. Was is er eijentlich?“

Ruft es aus’m Wald !!!

„Keene Gasse, die ham se zerbombt. Keene Stadt. Soll so schön gewesen sein. Det alte Zelluloid.“

„Aber das hatten wir schon“, meldet sich jetzt mein russischer Freund zu Wort. „Die Bolschewiken haben ooch alle Fenster rausjerissen und Feuer gemacht, weil se jefroren haam.“

„Det kann man ihn ja ooch nich emal üwel nehmen!“ Kommt ein Spaziergänger daher.

Lassen wir an der Wolga die Riesen aus Stein und die leeren Sockel der Riesen, die vergraben wurden im Sand. „Alle Welt schart sich darum, weil sie ein Weltwunder sind. Oder? Na, ja die Veteranen“, meckert die Ziege auf den Oderwiesen und flüchtet über die Schollen ins polnische Nachbarland. Nach Norden, wo die Warthe auf die Oder stößt und die Sümpfe unübersehbar werden.

„Aber die Pfade…!!! Musst du gehen. Über sieben

Brücken, wenn du wissen willst, warum das Pflaster stöhnt in den Provinzen.“

Für heute nacht ist es vorbei. Morgen wieder kannst du dich verwandeln. Geh, schlaf dich aus in deiner Hütte. Setz dir den Gärtnerhut auf und zieh dir die finnischen Stiefel an – Import aus der ruhmreichen Sowjetunion – halte das Maul. Laß dich erst sehen, wenn die Sonne am Himmel steht. Denn es ist grundsätzlich verboten in einer Hütte im Garten Berlins zu übernachten. Sie können dich anzeigen. Kommt dann der VOPO? Oder das Ordnungsamt, das alle VOPOS aufgenommen hat, um sie vor der Arbeitslosigkeit zu retten?

Oder die CDU? Weil sie für Ordnung und Sicherheit geradeaus steht? Also jetzt ist es mittlerweile um 3 Uhr nachts. Wir haben die Wolken fliegen sehen über die Oder. Wir haben die Sichel des Mondes über dem See ziehen lassen und die Warzen bespuckt, damit sie vertrocknen, wenn du aufhörst mit Spucken. Wir sind ja schließlich keine Zebras. Jetzt schlüpf in die Hütte. Wirf dich tränenüberströmt auf die Kissen aus russischem Samt. Warte auf den Mittag, wenn die Rentner zu Muttern machen in die Kaserne. Dann kannst du aufstehen und dich sehen lassen. Es sieht dich keiner. Du wirst ja sehen, ob wieder ein Zettel unter die Türe geschoben wurde.

Geh zum Popen, der wird dir zu Essen geben.

Verhungere nicht. Bitte!

G i o v a n n i oder Hansestadt Greifswald, Autokennzeichen HGW

Oder, wenn du es klug anstellst, du könntest auch im Inntal sein und über die Kitzbüheler Alpen in die Hohen Tauern fahren oder anders herum über Gerolspaß hinab in das Salzachtal, wo dir entgegen geflogen kommen die Triolen Schuberts und Viertel Mozarts.

Die Luft schwingt. Du darfst nicht zu oft nach hinten sehen oder gar nach unten, sondern hinauf, hinauf.

Dreh dich nicht um, der Plumpsack geht um.

Der das Taschentuch fallen läßt.

Ja, ja geh nur noch weiter südlich und du wirst sehen die Dolomiten und irgendwann begreifst du den Unterschied zwischen Andreas Hofer und Guiseppe Verdi.

Gefangenenchor.

Vereinigung Italiens.

„Pfui Teufel!“

Den Fürsten, die andere ausrauben und die Maler verjagen, wenn sie auf der falschen Seite den Pinsel schwingen.

Taschentuch.

Othello.

Na, ja Sie wissen schon.

„Wie gespenstisch ist eigentlich der Homunkulus in Eis und Schnee?“

„Der Bergsteiger, der seinen Bruder alleine hinaufklettern läßt und irrsinnig über den Berg kommt zu den thailändischen Bauern auf der anderen Seite?“

Gipfelstürmer von links.

Die rechten hatten wir.

Wer will wem da etwas verzeihen. Ich nicht. Du nicht. Niemand.

Dostojewski nicht mehr in der Gartenlaube im Grüngürtel von Treptow und Baumschulenweg, wo die Grenzer schossen, wenn sich etwas bewegt.

Und das Wild verblutete.

Der Mensch, der es gewagt hat, unüberlegt die Fronten zu wechseln.

Sondern auf einen Zug gesprungen. Durch bis Innsbruck durch viel Tunnel und über viel Brücken. Nie knallte eine Ohrfeige, wenn es dunkel wurde. Kein Mädchen wurde rot, kein übermütiger kußfreudiger Bayer. Alles vorbei.

Strauß und die seinen, die Witze dazu. Sie ersterben uns auf den Lippen. Selbst über Lederhosen lacht niemand mehr.

Wo Kultur und Natur sich treffen, so die Werbung

im schönen unteren Inntal.

Der Chor singt es.

Wir stimmen ein.

Dostojewski nicht mehr in der Hütte im Gartenland Berlins, sondern in den Bergen.

Schlagzeile im Boulevard.

Dort kann er Verdi verstehen lernen, wenn er weiter geht. Immer weiter.

Und Dante lesen in Ruhe.

In Ruhe. Himmel und Hölle.

Liebe und Haß.

Unsterbliche Geliebte.

Dort kann er den Inn rauschen hören in der Nacht und an Eichendorf denken, wenn er nur wüßte, ob es ihn gab. Er kann lesen, was an den Bäumen angeheftet ist und in den Zeitungen veröffentlicht. Tod und Auferstehung. Jahrestage. Anteilnahme. Was sind da politische Nachrichten und andere. Namen liest du da. Namen von Familien. Wappen siehst du da an den Wänden. Hier wird noch Haftung geübt. Persönliche Haftung.

Eine Landschaft übersät mit Kapellen und Kreuzen. Schwindelnde Höhen. Glas. Silber. Gold im Berg und auf den Figuren. Aber doch solch ein preußisches Grau.

Feldjägergrau. Christliches Abendland, aber wo sind die Christen.

Deutschland, Dostojewski war hier. Die Amtssprache aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

„Nix mit Europa. Nix wie in Amerika, wir sprechen

deutsch, die anderen anders. Wie soll das gehen?“ Sagt der müde Angestellte gegen Abend zu einem Gast mit Ehefrau, beide wollen Österreich erleben und Holzpuppen tanzen sehen.

Und Besenstiele als Zeichen auf die Wege legen, damit die Nachfolger bei Abzweigungen sich zurechtfinden. Immer in Angst, der große Nebel kommt und du siehst die Hand nicht vor den Augen. Du kennst die Abgründe nicht und den tiefen, tiefen See, den Grünen, den Herrlichen. Das Alphornauge. Da kannst du schon auf ganz närrische Gedanken kommen. Und die Besenstiele müssen fluoreszieren, musizieren, damit sie ja nicht übersehen werden. Sekunden zählen und Schritte. Auf dem Gipfel ist die Ewigkeit zum Greifen nahe. Wie am Meer.

Dem Himmel nahe, haben auch die Psychologen im Dienste der Werbung für den Wirtschaftsfaktor Tourismus herausgefunden.

„Herr Pfarrer, wir sind ihm so nahe, daß wir nicht in die Messe kommen“, sagt die Gastwirtin auf dem Berg. Die Bauern haben sich eine kleine Kapelle auf dem Berg hergerichtet. Und sie sind stolz darauf. Du solltest sie besuchen, Dostojewski. Vier Höfe, vier Herden. In R. wird gute Milch gemacht und der Käse. Und Honig dazu.

Geh nicht zu auffällig russisch angezogen in das Dorf hinab zur Käserei, zur Kirch und schau nach oben.

Ohne Titel

Aber plötzlich nach dem Nebel siehst du die Türme der Stadt im Tal und weißt, du bist auf der richtigen Seite gewesen, bist nicht den Verlockungen des Silber gefolgt im Berg. Des Goldes. Des Kristalls.

Er hatte den Popen nicht gefunden

Er hatte den Popen nicht gefunden in Berlin. Umgekehrt. Der Pope nicht ihn. Versteckt er sich auch so unter dem Tisch der Hütte, als der die Tür einen Spalt öffnet und seinen Kopf zeigt.

„Das war der Pope“, jetzt ist es zu spät. Er ist längst in den Büschen der Späthschen Baumschule verschwunden und kein Mensch der Welt würde ihn finden in dem Gewirr von Wasser, Heide und Brache.

Nach zwei vergeblichen Nächten des weiteren Wartens schleicht er sich im Kaftan durch Parks an das Gleis heran und springt auf. Der Zug fährt nach Süden. Eigentlich ist er mehr für den Osten und Norden. Das ist seine Welt. Gleichviel bei dem Risiko. Überhaupt erst einmal auf einem Zug ohne Geld und Billet.

Und wenn schon Berge. Höchste Berge. Schweiz.

Die Dämonen haben ihm das eingeflüstert. Lenin.

„Für den Frieden ist Mozart besser, Dostojewski.“

Mozarts Musik wird ihn begleiten die Wege hinauf und hinab in das Tal der tausend Wünsche.

Laß Lenin schauen auf die Weinberge auf der Halbinsel Krim, wenn er noch dasteht, aus weißem Marmor gehauen von einem Spezialisten, geehrt mit dem Orden des großen Vaterländischen Krieges in Gold am Band. 1989 im Spätsommer haben wir ihn dort gesehen und dann den Wein getrunken, den süßesten der Welt beim Mahl des HERRN in der Baptistischen Gemeinde Jalta. Es kann ja sein, daß sie ihn inzwischen ins Museum gebracht haben. So ähnlich wie im Kaliningrader Gebiet: Kopf an Kopf und Fahne an Fahne. Rumpelkammer.

Museum.

Geschichte. Geschichten.

Wie eine Rumpelkammer.

Requisiten. Interieur. Kulissen.

Wenn sie nicht längst auf dem Sperrmüll der Geschichte gelandet sind.

Und Tirol?

Berg Isel. Landesausstellung. Panorama der entscheidenden Schlacht vor über zweihundert Jahren. Gar nicht so unähnlich. Im Prinzip eine Addition, die die Geschichte zur glänzende österreichischen Rumpelkammer macht, zum geheimnisvollen Dachboden. Es gibt kaum ein Ergebnis. Weil die Faktoren nicht bekannt sind.

Im 3. Jahrtausend.

Nach den Zusammenbruch der pax sovietica. Und die pax america ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, sagen manche.

Was ist schon das, was es einmal war?

China. Indien.

Die Welt ist rund und keine Scheibe mehr nach dem Fall der Mauer in Berlin und der Grenze in Europa aus Stacheldraht.

Und der Orient ist nah.

Die unbeschnittenen Juden

kommen aus der ehemaligen Sowjetunion.

Israel kämpft.

Die Angst vor den Türken wird geschürt.

Adenauer hat sie einst geholt zum Wiederaufbau Deutschlands trotz des Völkermordes an den Armeniern.

Hat er das eigentlich gewußt.

Professor Unrat sagt „Addition“ zu so etwas.

„Machen Sie es so wie die Bauern im Po-Tal!“

„Was nicht zu klären ist, wird einfach wegaddiert.“

„Abstrahiere und substrahiere!“

„Reduktion!“

Sonst schaffst du es nicht.

Der PC nimmt es dir nicht ab.

Du kannst mit den Größen nichts anfangen.

Die Schere geht nicht endlos auf.

Jede Generation hat ihren Bereich.

Grenzüberschreitung ist Selbstbetrug.

Der mathematische Beweis ist richtig,

wenn du die richtigen Schlüsse daraus ziehst.

Die mußt du ziehen. Nicht der PC.

Das sind mathematische Gesetzmäßigkeiten und ihre Logik ist die Logik der Mathematik. Wer unablässig addiert und nicht entsprechend reduziert verliert die Übersicht.

Er muß in ein anderes System umsteigen.

Gott ist ein mathematischer Punkt. – Novalis

Irgendwann mußt du reduzieren.

Wenn du zuviel Teller durch die Gegend trägst,

fallen sie dir eines Tages über den Haufen.

Das weiß jeder Kellner.

Lerne deine Grenzen kennen.

Und du wirst Gott erfahren.

Chance und Grenze gehören zusammen.

Oder willst du , daß die Welt explodiert.

Auch deine Welt.

Kind.

„Im Prinzip ja!“ tönt der Sender Jerewan.

Berg Isel. Panorama.

Die Bürger fürchten sich vor den Bauern mehr als vor den Franzosen, die die Bayern verpflichtet haben, diese Holzgesichter in die Schranken zu weisen.

Es wird vermutet, sagen die Sozialdemokraten, daß die Tiroler und die Bayern aber trotzdem gemeinsam Pausen abgesprochen haben. Das klingt sehr säkular.

Oder ökumenisch von heute.

Und dann ging es weiter mit der Geschichte

Isel ist geblieben.

Ein Ausflug! Ein Erlebnis.

Wer kann gedenken?

Alle fragen.

Wer antwortet?

Dostojewski kommt derweil den Berg herunter

und schaut den Himmel mit seinem Gesicht.

Den Abendhimmel. Die untergehende Sonne.

Im Westen über dem Berg hell.

In die Täler hinunter die Nacht…

Fliege mein Flieger. Durchbrich nicht die Schallgrenzen. Jage der Sonne nicht nach.

“DU bist der Tag ohne Abend.“

Alptraum, wenn der Glaube, Liebe, Hoffnung fehlen. CHRISTUS.

Wie gut ist die Nacht. Das Lied der Mutter fällt dir zu. „Hündchen hat den Mann gebissen.“

„Kindchen schlaf ein.“ Und auch die schöne junge Lilofee. Das Schlösseli. Der Herr vom Schlösseli reitet.

Wohin. Woher.

Dostojewski sucht ein Nachtquartier.

Hier gibt es keine Laubenpieper.

Hier wird nicht so gewirtschaftet.

Hütten auf den Almen. Ja, dorthin.

Hinauf. Oben geblieben.

Aber wehe, wenn der Bauer kommt.

Die Schiestlfigur

Am nächsten Tag steigt er herab. Die Schiestlfigur. Hinter den Bäumen, wenn er Gefahr läuft, entdeckt zu werden.

Er weiß ja nicht, wie die hier auf Verkleidungen reagieren und ob die Humor haben und wann der aufhört.

Alles schön und gut. Von wegen Berlin und Russen sind Mode und Kaftane. Nicht mal weiße Mützen von der Krim passen ins Stadtbild, solange Udo Jürgens sie nicht getragen hat und Hansi Hinterseer nicht ausdrücklich sein Votum dafür abgegeben hat. „Was bildet der sich ein?“, sagen sie auf tirolerisch in hartem hölzernen Klang, der denkt wohl, er ist Hansi Hinterseer oder aus Wien.

Dostojewski könnte sich umziehen. Er hat ein kleines Köfferchen mitgenommen. Darin liegen die Sachen von Piefke. Also er huscht von Gebüsch zu Gebüsch. Da sieht er, wie ein PKW sich den Berg hinaufquält und die junge Frau hinter der Scheibe sich graut, wenn sie hinunterschaut.

Endlich ist er im Inntal angekommen, durch ein Seitental dorthin gekommen, wo er jetzt sitzt, in einem Wartehäuschen für Citybusse, Schwaz, Hauptmannschaft in der Nähe. Der Weg dorthin lang, aber abwechslungsreich. Durch Maisfelder. Das Rauschen des Flusses im Ohr. Autobahnen. Intercity. Tunnelstrecke. Gegen Abend, die Zeit, wenn der Trompeter kommt vom Dorf auf halber Höhe. Zugelassen. Von niemandem zurückgehalten.

„Sie haben Angst vor dem Tod“, sagt der Priester. Es ist trostlos und gnadenlos. Die Orgelwerke aus Schlafes Bruder ändern daran gar nichts.

Wenn sie dröhnen.
Die Gasse hinunter.

Fjodor klingelt in der 7. Wir sagen zu ihm: „Nein. Du kannst hier nicht übernachten. Du mußt zurück auf deine Höhe. Geh ins Heu.“ So ist das. So unbarmherzig sind wir geworden. Dostojewski das Lackmuspapier für unsere Liebe zu den Menschen. Aber wir lesen seine Bücher wie „Arme Leute“. Auch wenn es nur ein Fiktion ist. Eine flüchtige Erscheinung.

Am nächsten Morgen.

Ist er wieder da. Und der Trompeter. Dazu gesellte sich dieser ältere Herr mit eingebundenem Kopf. Oder ist es Gips. Und noch andere Verbände an allen Gliedmaßen. Immer schaut er dir über die Schulter und liest mit. Beim Wiener Standard. Die Verbände müßten stündlich erneuert werden. Mindestens täglich.

„Aber wir machen das nicht, wir wollen Österreich erleben in Innsbruck im Theatercafe oder in der Silberstadt Schwaz., wo die Kumpel Protestanten waren vor hunderten von Jahren.“

„Wir werden doch hier nicht den barmherzigen Samariter spielen.“

„Da hätten wir auch im Ostteil der großen Stadt bleiben können im geteilten Land, vierzig Jahre lang.“

„Jetzt nicht! Bitte nicht.“

„Jeden Moment auskosten.“

D. läßt uns eben nicht in Ruhe.

Ob sie nun Trompeter heißen, oder die, die mit einem Verband herumlaufen. Vielleicht sogar nur so getan. Wir kennen das aus der Dreigroschenoper. Wir kennen die schmalen Grade zwischen Wahrheit und Lüge.

Jeder Moment kann der letzte sein. Jedermann hinter der Säule faßt seine Geliebte. JEDERMANN ruft der Trompeter und spielt die Tonleiter – diesmal fast sauber – hoch und

herunter. JEDE FRAU schallt es von Pfeiler zu Pfeiler im dreischiffigen gotischen Kirchengebäude. Einem bedeutenden und einmaligen in seiner Art mitten in den Alpen. Nördlich der Alpen ist der Begriff. Jetzt sind wir im Inntal wo Natur und Kultur sich küssen. Wo die Marien sich verbünden in ihrer Schönheit und Strenge.

Werbung.

Ich habe noch nie den JEDERMANN so gut verstanden.

Und seine Angst vor bösem schnellem Tod..

„Und die anderen Fijuren.“

JEDERMANN.

Jedermann klingelt heute nicht.

Der Trompeter klingelt heute nicht.

Der Verbundene.

Mal sehen.

Der könnte.

Jeden Moment.

Aber da, der Hastige am Abend des Sonntags, von Dorf zu Dorf eilt er. Schaut in die Vitrine, zum Schein.

Wie ein Interessierter. Wie ein Ehemaliger.

Überhaupt die Pensionäre. Sollen sie Cola trinken in der Gasse. Sonntag. Abend.

Du kannst nicht jedem aufmachen, der vor der Tür steht.

Stell dir vor es ist Ostern und es klingelt in diesem schrillen Ton. Schulklingel. Aus den vierziger Jahren. Da steht einer mit Kapuze. Das geht noch. Du fragst ihn, was er will. Er hat eine Tankstelle ausgeraubt und der Richter wendet das Gesetz für noch nicht ganz Strafmündige an. Er hat da Spielräume. Gesellschaftlich nützliche Arbeit. Soll er doch zum Pfarrer gehen und fragen, ob der einen Garten hat.

Umgraben und so. Der Pfarrer ruft das Gericht an und sagt: So etwas könne man in Bayern machen. Einer geordneten rechtsstaatlichen Landschaft. Aber doch nicht in einem postsozialistischen Jugendweiheland. Der Kapuzenmann geht wieder die Treppe hinunter. Einsperren ist schöner.

Oder es kommen die Zigeuner.

Und du darfst nicht singen: „Lustig ist das Zigeunerleben.“

Oder es kommen zwei Musikanten. Der eine ohne ständigen Wohnsitz /alte BRD der andere obdachlos/ DDR.

„Die DDRLER sind faul. Sie singen nicht, wenn es drauf ankommt“, sagt der BRDLER. Aber sie bleiben zusammen. Er meinte das nur grundsätzlich.

„Sie schlafen den ganzen Tag!“ schallt es von den Bergen Du kannst nicht jedem die Tür aufmachen.

Jeder schon gar nicht.

Jetzt bekomme ich einen Brief in die Hände über eine Deckadresse (postlagernd) aus dem hervorgeht, was zur Zeit in meiner Hauptwohnung am Süd- Ost -Rand von Berlin vorgeht. Da hat sich einer eingemietet zu meinen Gunsten, – es ist alles okay und abgesprochen -, ,,der die Wald-Schweine füttert über den Eisenzaun“. Was aber noch schlimmer ist, er hilft ihnen über den Zaun. Sie rühren ihn, weil sie so schön aufrecht stehen wie in der Farm der Tiere und betteln. D.h. sie wollen in das Haus. In meine Wohnung. Weil wir doch jetzt in Franz-Joseph sind. Nummer 7. Tirol.

Der Tierliebhaber hat sich aber nicht klar gemacht, daß sie ihn rausschmeißen, sobald erst einmal eine gewisse Anzahl Wildschweine Besitz ergriffen hat von der Parterrewohnung. Was die Nachbarn sagen, vermag niemand zu sagen. Wahrscheinlich sind die Genossen auf leisen Pfoten ohne Grunz und Schnauf über die Terrasse auf den Parkettfußboden gekommen. Sie wollen nur ganz einfach in der Wohnung sein. Mensch werden. 1984 oder Farm der Tiere.

Um Mitternacht bringen sie Teile von Doppelstockbetten herbei, weil sie gelesen haben, das entspricht am meisten dem, was man einen Schlafsaal nennt. Alle Türen auf. Überall Doppelstockbetten. Aber nur nachts. Am frühen Tag verlassen sie mit den Betten das Haus. Niemand scheint etwas zu bemerken. Sonst müßte es doch Klagen geben.

Wo haben sie die Möbel her.

Sie graben. In den Schutthalden Ostberlins.

Unter dem Waldboden des deutschen Reiches.

Ein Nachbar hat zugeschaut.

Er hat mir geschrieben.

Sollen wir Österreich abbrechen. Den Urlaub.

Nein, wir tun so, als ob nichts gewesen ist und hoffen, daß der Spuk vorbei ist, wenn der Ersatzmieter in unserer Wohnung die Koffer packt. Wie verabredet.

Wie kann einer so töricht sein. Hat er nicht alle Tassen im Schrank seiner Herkunft. Kann er nicht nein sagen. Hat ihn die Evolution erwischt am falschen Ende. Oder hat er noch nie eine Kuh gesehen.

Großstadt.

Im Gegenteil, wir bleiben noch etwas länger.

Und sinnieren, wie recht doch die Republikaner haben in dem freien Land Amerika, wo jeder eine Waffe tragen kann, um sich selber zu schützen vor Eindringlingen jedweder Art.

Denn nur die FDP verteilt Werbematerial, wo eine riesige Sau eine Berliner Straße entlang geht. Der Eber.

Die Quote ist zu niedrig.

Die Quote ist zu hoch.

Es gibt immer noch zu wenig Bäume in Berlin.

Wenn du keine Waffe tragen darfst, weil du kein ehrenamtlicher Jäger bist, dann mußt du eben immer Brot in der Tasche haben, um nicht tatenlos zuzusehen, wenn eine Herde auf dich zukommt. Etwas tun müssen wir. Also füttern. Die Leute haben Recht, die handeln und sich unwissenschaftlich benehmen.

Es ist unmenschlich nichts zu tun.

Also Anfreunden.

Füttern.

Und dann.

Ein Bauer gibt Antwort.

Also diesen Brief habe ich meiner Frau vorgelesen. Sie sagt nichts. Sie meint, ich habe ihn erfunden.

„Mach doch eine Geschichte daraus für Kinder!“

Pause. Jetzt bläst wieder der Trompeter.

Und die Russen in Schwaz sitzen in ihrem Kellergewölbe. Und heißen den flüchtigen Gesellen willkommen. Geben ihm gute Ratschläge.

„Meide die Tschechen“ und so weiter.

In der k und k.

„Dein Kindheitstrauma“, lacht sie.

Schwarzröcke hin und Schwarzröcke her.

Aus HEILE WELT – Berliner Erzählungen, Verlag auf der Warft 2014. Diese beiden Erzählungen sind ein Vorabdruck gewesen. Daraus ist geworden:“Ach, Dostojewski. In den Häusern des Lebens und des Sterbens. Nach einem russischen Dichter“. Haag und Herchen 2022

In der Neuauflage epubli Eigenverlag sind diese beiden Erzählungen nicht mit aufgenommen.


Veröffentlicht von famwohlfarthtonlinede

Jahrgang 44 Lieblingsbeschäftigung:Schreiben und Predigen.Sehnsuchtsort Ostsee. Wohnort Berlin, Heimat Thüringen. Wenn Du mir schreiben willst, bitte über michael.wohlfarth@t-online.de; https://kaparkona.blog; michael-wohlfarth.jimdo.com; michaelwohlfarth.wordpress.com

Hinterlasse einen Kommentar