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Landsberg heißt jetzt Gorzow und das Wort Berg kommt auch in dem jetzigen Namen zum Tragen. Die Berge nach Norden hin. Von der Warthe aus gesehen. Landsberg an der Warthe. So steht es in meinem Personalausweis. Stand in der DDR. – Ich dachte immer, ich bin ein Flüchtlingskind. Aber das stimmt nicht. Meine Mutter ist auf Anraten meines Vaters vor meiner Geburt nach Mitteldeutschland gezogen, nach Thüringen, in ein Dorf bei Jena, Kreis Stadtroda: Mörsdorf. Dort war ein Großonkel von mir Pfarrer und in dem Pfarrhaus war noch Platz. Allerdings ist sie dann zurück zu ihren Eltern in die Stadt, in der sie ihre Jugend verbracht hat. Ich bin in einer Privatklinik unweit von der Wohnung meiner Großeltern mütterlicherseits in Landsberg an der Warthe in der Neumark, jetzt Polen, geboren worden.

Nach der Taufe, als der 2. Weltkrieg immer näher kam, fuhr meine Mutter mit mir zurück in ihre Wohnung in Ostthüringen. Meine Großmutter Theodora Arter begleitete uns. Fuhr dann aber zurück zu ihrem kranken Mann Dr. Friedrich Arter, meinem, unserem Großvater mütterlicherseits.

Ich habe noch 7 Geschwister.

Also Gorzow. Das Hotel, um welches es geht, steht in der Nähe der so genannten Freiheitsglocke, gespendet von der AG Landsberg mit der ich auch assoziiert bin. Wir haben zu meinem Geburtstag dort unseren ersten HALT gemacht, als er wir unsere Stadtwanderung unternommen haben in Richtung Warthe und darüber hinaus. Ein großer Platz, auf dem auch die Vereidigungen der Armee vorgenommen werden unter Teilnahme der Bevölkerung. Eine Brigade ist ganz in der Nähe stationiert und legt großen Wert darauf, dass es eine Voksarmee ist und bleibt. Zur Vereidigung in diesem Jahr, ausgerechnet in der Zeit unseres Familientreffens, strotzt die Großstadt nur so von Panzern, schwerem Gerät und Mannschaftswagen aller Art. Der evangelische Geistliche erzählte uns Einiges darüber nach dem sonntäglichen Gottesdienst in seiner Kapelle auf dem ehemaligen Friedhof der deutschen Stadt, jetzt KOPERNIKUS-PARK.

Das Hotel ist nur ein paar Straßen entfernt von der ehemaligen Steinstraße in Landsberg an der Warthe, in dem meine Großeltern mit ihrer Familie gewohnt haben, nachdem Großvater Arter in Landsberg sich als Rechtsanwalt nieder- gelassen hat. Die Kanzlei besuchten wir ebenfalls en tour am Sonnabend dem 6. Juli anläßlich meines 80.*Tages, weswegen der Familienausflug geplant worden war. Bevor wir über die Brücke gingen und das Stadtmuseum in Augenschein nahmen. Leider hat einer der Nachfolger meines Großvaters aufgegeben oder sich einen anderen „Stellplatz“ gesucht. Jetzt ist das Ganze unkenntlich bis zum geht nicht mehr. Nebenan ein SEXSHOP im katholischen Polen. Die Kathedrale oberhalb der Gasse lässt grüßen mit dem Bischof vor der Tür, überlebensgroß in Bronze gegossen wegen SOLIDARNOSC. Die Kathedrale heißt Marienkirche und ist größer als die Marienkirche in Berlin.

Es gibt viele Orte zum HALT MACHEN, zum Stillehalten und der Besinnung.

ZUM GEBET.

Es ist ein geschichtlicher Ort für unsere Familie. Ein bedeutender Ort, weil meine Großmutter von hier aus floh, mitten hinein in die sowjetischen Truppen, die schon längst weiter waren als sie und Freunde, die die Stadt dramatisch verließen mit schwerem Herzen.

Einem Pfarrer soll hier ein Denkmal gesetzt werden. Pfarrer Grün, der bis zuletzt gewartet hat. Er hat die letzten Beerdigungen vorgenommen. Er hat sich einen Wagen genommen mit dem Kutscher und die Toten zum Friedhof auf den gegenüberliegenden Berg gefahren, um sie in Würde zu beerdigen. Mein Großvater wurde dorthin gelegt, wo schon mein Onkel Friedrich lag, um auf den Auferstandenen und zum Himmel Gefahrenen zu warten, wenn er wiederkommt auf die Erde, um zu richten die Lebenden und die Toten. Sie zu sich zu nehmen als die Gerechten und Ungerechten. In das Licht und die Finsternis.

Es sind Menschen gekommen, die Dr. Arter geholfen haben in seiner Krankheit, die ihm Nahrung gebracht haben, um zu überleben. Es gab dankbare Menschen, die bezeugt haben, wie ihnen der RA geholfen hat im nationalsozialistischen Staat: Juden und Jüdinnen; Männer und Frauen der bekennenden Kirche.

Der ehemalige Bürgermeister von Hohensalza vor dem 1. Weltkrieg und kurz danach, als seine Tochter Annemarie eine Kugel traf im polnischen Aufstand; der ehemalige Bürgermeister von Pößneck in Thüringen (meine Mutter Angela wurde dort geboren) war ein sozial denkender Mensch, der in beiden Städten dafür gesorgt hat, dass dort menschenwürdig gewohnt werden konnte. Zusammen mit seinem Partner, dem bekannten Architekten Heinrich Tessenow, der dem Bauhaus nahestand.

Als die Russen kamen und Landsberg als Festung, die von niemandem verteidigt wurde, niederbrannten, dort plünderten und vergewaltigten, kamen sie auch in die Wohnung in der Steinstraße und nahmen ihre Mützen ab, wenn sie zu VÄTI geführt wurden, der krank darniederlag. Nur die Uhren nahmen sie mit. Sonst taten sie niemandem etwas. Das Kreuz meiner Großmutter hat ihnen Respekt eingeflößt. Und sie bekamen Achtung vor den Verlierern, die sie gerade dabei waren zu demütigen. – Was ist endgültig, frage ich heute im September 1924 am Ostrand Berlins, 80 Jahre danach. Wärend der Krieg im Osten der Ukraine tobt.

Allerdings belegen Briefe, die meine Schwester Christine gefunden hat und aufbewahrt, wie aktiv unsere Großmutter auf den Krieg reagiert hat. Sie hat die Mädchen mit Kohle schwarz angemalt und im Keller versteckt, in Schränken. Sie ist von Haus zu Haus gelaufen und hat Mut gemacht.

Landsberg/Gorzow- jetzt Großstadt, damals eine Mittelstadt vergleichbar von der Größe her mit Altenburg in Thüringen, wo ich 20 Jahre als evangelischer Pfarrer mit meiner Frau Margard zusammen gearbeitet habe.

Eine brandenburgische Mittelstadt, um mit Ausdrücken von heute zu agieren.

Ich habe diese Stadt besucht nach meinem Geburtstag am 18.6.24, den ich in der Müggelheimer Kirche und im Cafe gegenüber gefeiert habe mit Berliner Freunden und Bekannten, mit unserem ältesten Sohn aus Stepfershausen in der Rhön und Max, dem Abiturienten, seinem Sohn, meinem ersten Enkel; meinem Berliner Bruder Ehrenfried und seiner Frau Anita, Anne-Katrin, der Tochter meiner Cousine Anneliese, Therese, der Tochter meiner Cousine Renate.

Frau Pfarrer Schwedusch-Bishara wollte es so, dass es einen richtigen Gottesdienst gibt mit Segenspenden mitten in der Gemeinde, die auch zahlreich erschienen war.

Mein Sohn meinte aber, nun müßte ich aber doch nach Gorzow fahren, um von Angesicht zu Angesicht zu klären, ob unsere Anmeldung und anschließende, fast ausschließlich einseitige Korrespondenz zum Familientreffen Früchte getragen hat und wir vom 5.- 7. Juli wirklich willkommen waren im Hotel GRAZJA.

Ich habe das gemacht, bin vorbeigefahren an dem Delta der Warthe zur Oder hin. Allerdings seit Längerem kein Wasser zu sehen. Trocken gelegt? Die Waldstrecke, neue Straßen mit Kreiseln und wieder Gorzow in Sichtweite. Irgendwo davor Lagerung. Fettbrote oder so ähnlich. Alles in solo. Ankunft gegen Mittag. Stellplatz wieder neben der Freiheitsglocke, die ich zuletzt erlebt habe im Januar des vorherigen Jahres mit der AG Landsberg zusammen. Von daher kannte ich das Hotel und war begeistert vom Schwimmbad mit fitness.

Die Telefonnummer großartig angebracht über dem Eingang, der über ein Brückchen führt wegen dem Bächlein, an dem meine Cousine Renate angeblich vor und nach dem Kindergarten gespielt hat, als sie mit ihrer Mutter mit in der Wohnung meiner Großeltern wohnte. In Kriegszeiten. Ja, dort gab es Enten, die entweder in den Parks herumgeisterten oder schwammen und tauchten.

Ankunft an der Theke. Alles gut, alles gut. Viel mehr war nicht und die Bitte, sich an den und den zu wenden an dem Familienwochenende, weil der Manager, er selber, da Urlaub hat. Also doch eine Information und die traurige Erkenntnis: DDR-Bürger. Hinterwald. Osten. Null, Null, Null. Die Zahlenreihe. Algorithmus. 00 Polen, Hotel. Ein Lustspiel sondergleichen. Also nach Hause. Nicht einloggen, möglichst über NORDEN, nicht weiter nach OSTEN wie im vorigen Jahr, als meine Frau und ich nach der Anmeldung keine Lust hatten sofort nach BERLIN zu fahren.

Sondern nach Danzig.

Veröffentlicht von famwohlfarthtonlinede

Jahrgang 44 Lieblingsbeschäftigung:Schreiben und Predigen.Sehnsuchtsort Ostsee. Wohnort Berlin, Heimat Thüringen. Wenn Du mir schreiben willst, bitte über michael.wohlfarth@t-online.de; https://kaparkona.blog; michael-wohlfarth.jimdo.com; michaelwohlfarth.wordpress.com

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