Fortsetzung des Vortrages in der Hans-Seidel-Stiftung für Lehrer und Lehrerinnen (Gymnasialstufe) 2015
Fortsetzung vom letzten BLOG mit Kapitel 16:
Intellektuelle, Priester, Märtyrer.
Gut, daß wir in Leipzig im Frühjahr 1990 zum 50. Geburtstag meiner Frau Richard Rohr, einen deutschstämmigen Franziskaner aus Amerika, gehört haben in der Nicolaikirche. Dass ich seine einschlägigen Bücher kannte, die er ja alle nicht geschrieben hat, sondern seelsorgerlich gesprochen hat und ein Freund hat sie aufgeschrieben. Übrigens ein bayerischer Lutheraner. Gut, dass wir Bonhoeffer kannten zwischen Widerstand und Ergebung. Zwischen Revolte und Anpassung mussten wir das für uns übersetzen.
Meiner Frau redete ich zu, als Staatssekretärin für Familie und Jugend nach Berlin zu gehen und die DDR fröhlich mit anderen und Gospelmusik zu beerdigen.
Denn schon die Umzüge in Leipzig hatten nicht nur etwas Dramatisches, sondern auch etwas Fröhliches.
Der Satz meines Freundes im Glauben Georg Harpain: “JESUS WAR AN DER SPITZE “ ist für uns letztlich Grundton geworden dessen, den ich als ordinierter Pfarrer zu verkündigen habe: JESUS, der die Welt überwindet.
Es gibt Augenblicke im Leben, wo einem das bewusst wird: Sieg.
Dafür sind wir dankbar.
Und dafür: Nach dem Lesen unserer Akten in der Runden Ecke war nur einer dabei, der uns verraten hat aus unserem Vorbereitungskreis für die Themen und Referenten der Altenburger Akademie, ein Berufsschullehrer, den sie erpresst haben, weil er einem Mädchen zu nahe gekommen war.
Sonst alles OKAY.
Ich bin weinend und lachend herumgegangen und habe mich bedankt für die Treue.
Wir sind uns um den Hals gefallen.
Trotz und wegen aller Fürbitten nie die Dankesstrophe vergessen, schärfte mir mein Vater in dieser Zeit ein.
Leider hat meine Mutter den 9. Oktober 1989 in Leipzig nicht mehr erleben dürfen. Sie war die Tochter eines Rechtsanwaltes, der unter Lebensgefahr Juden verteidigt hat, Pfingstler u.a., die im 3. Reich denunziert wurden. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mir mitten im Sozialismus die Kategorien des Denkens erhalten haben trotz aller Schablonen, die uns in der sozialistischen Schule um die Ohren gehauen worden sind.
Dank?
Natürlich Dank. Auch am 3.Oktober 1990, wo wir alle zu feige waren – oder Schlimmeres(?)- die Kirchenglocken zu läuten. Schließlich war der offizielle Kalte Krieg zu Ende und wir tanzten mit den Offiziersfrauen der Roten Armee. Bevor sie abzogen aus den alten herzoglichen Kasernen in einer ostthüringischen Residenzstadt in ihr armes russisches Land. Wir haben mit den Katholiken eingeführt, dass am 3. Oktober bzw. zu ERNTE-DANK auf dem Markt vor der Franziskanerkirche-Brüderkirche gebetet, gesungen, Posaune geblasen, gepredigt worden ist.
Wir haben den Hirten zum Krippenspiel Plakate in die Hand gedrückt, auf denen stand: WIR SIND DAS VOLK.
Zur gleichen Zeit, als die Soldaten in der nahen Kaserne nicht wussten, was sie mit ihrem Gewehr anfangen sollten…Und die Richter riefen, sie hätten kein Recht mehr in den Händen, nach dem sie urteilen könnten. Die Gefangenen hingen ihre Bettlaken zum Fenster des Gefängnisses heraus mit Losungen, die sie darauf gemalt haben, für bessere Haftbedingungen. Die Telefonleitungen nach Berlin waren gekappt.
Auch in Leipzig wusste in der Großen Friedlichen Oktoberrevolution niemand, was er machen sollte. Außer dem Volk und einer Handvoll mutiger Künstler mit Parteisekretären der besonderen Klasse und natülich vielen, vielen Kirchenleuten.
In Berlin stand immer das Westfernsehen bereit und der RIAS, SFB. In Leipzig niemand. Nur das Auge der STASI auf den Dächern. Wir sind dankbar gegenüber Gott, das nichts passiert ist.
17.
FÜRBITTE UND DANK!
Die Altenburger Akademie war weiterhin notwendig, um der Sprachfähigkeit willen in einer auf uns zukommenden Diskursgesellschaft. Um zu lernen, dass es Argumente gibt, die ausgetauscht werden müssen.
Wir haben später im Rahmen der Altenburger Akademie-Offene Kirche f ü r den Religionsunterricht gekämpft innerhalb der Evangelischen Kirche in Thüringen. Und haben gewonnen – im Gegensatz zu später Berlin.
Daraus ist nach 10 Jahren eine freie Schule, gebunden an das Evangelium, mit dem Vorbild Leipzig in der Nähe, hervorgegangen, jetzt 500 Schüler, vor über 10 Jahren 20.
“Lehren durch Lernen, Lernen durch Lehren!“ war angesagt. Unser Kirchenfenster mit dem 12-jährigen Jesus stand PATE. Universitas. Schulgemeinde.
Das war noch einmal eine Revolution. Keiner konnte sich das vorstellen „in dem roten Nest“. Westdeutsche haben uns geholfen, die sich das vorstellen konnten. Soviel Feindschaft war noch nie. Soviel Freundschaft war noch nie. Und immer auf Anfang geschaltet. Auf den Zauber des Beginnens (Mörike), der in der Initialzündung Gottes
begründet ist, der Taufe.
Zwischen CRUX und WOSKRESSENIE.
„Ich bin getauft“, hat Luther in sein Eichenholz geritzt, wenn es ihn überkam: die Verzweiflung, die Anfechtung. Taufe, das Werk Gottes und nicht irgend eines Menschen Werk. “Die Angst in den Wasserfluten der Taufe ertränken…“, sagte die Leiterin des amerikanischen Lutherzentrums in Wittenberg zu uns, als die Mulde überlief und die Arbeitslosigkeit überhandnahm.
Aus meinem Tagebuch:
„Sie laufen nachts heulend unsere Gasse herunter, wenn wir nicht schlafen wollen oder können und uns fragen, was haben wir angerichtet: Früher hatten sie ihre Werkbank, wenn auch ohne Material, jetzt besaufen sie sich und verdreschen ihre Familien. In Altenburg-Nord, der sozialistischen Bergarbeiterstadt. Die sowjetische Aktiengesellschaft WISMUT hat dicht gemacht.Frauen laufen zu Weihnachten aus dem Haus, um all den Widersprüchlichkeiten, den PARADOXA zu entkommen. Die Männer kommen und weinen.“
18.
„WO IST DER BEICHTSTUHL?“ Diese Frage einer Frauengruppe werde ich Ende der 90iger nie vergessen…
…die Vikare wollten sofort einen bauen.
Sie haben ihre Gebete, Fragen, Antworten an die Wand geheftet und ich wusste, was ich zu predigen hatte.
Die Kirche war nicht mehr im Untergrund, auch nicht zur Hälfte. Sie war öffentlich. Wir hatten endlich das erreicht: Öffentlichkeit.
Durch die Gründung des Gymnasiums – also durch die WELT haben wir das GEBET neu entdeckt.
Nach einem Besuch in Bayern, Selbitz, haben wir angefangen mit communitären Strukturen ernst zu machen: am Dienstag Mitarbeitertag, am Mittwoch Schola, Vorbereitung der Tafel, Mittagsgebet (in der Ordnung der alten Kirche FRIEDENSGEBET genannt), gemeinsames Essen, ERWACHSENENBILDUNG, Kaffee.
Die Christusbruderschaft in Selbitz und anderswo (Halle) lebt nach benediktinischen Regeln und wurde von einem lutherischen Pfarrerehepaar gegründet. Sie hat uns eine Spiritualität mitgegeben, die standhält in der Welt des Pluralismus und der Säkularisierung. Diese Formen der Frömmigkeit tragen auch über Pfarrstellenwechsel und Ruhestandregelungen hinaus. Dafür sind wir dankbar.
19.
ORA ET LABORA war und ist das Leitwort der Gemeinde in Altenburg. Schließlich war Luther auch Mönch, wenn auch später verheiratet. Und uns wird auch das Jubiläum 2017 nicht umbringen, sondern im Gegenteil. Selbst Modephilosophen in Berlin blicken voll Verwunderung und heimlicher Bewunderung auf die evangelischen Communitäten. So gesehen müssen wir über Ökumene nicht streiten. Sie ist gegenwärtig in jedem Gebet, in jedem Lied.
Jemand, der kein Modephilosoph war, sondern ein Gezeichneter durch linke Anfeindung und Falschaussage, war für uns Günther Rohrmoser aus Stuttgart, der das Christlich-Soziale, wie Sie vielleicht wissen, auf ganz Deutschland bezogen wissen wollte. Seine Lieblings-CDU war die sächsische, da hat er keinerlei Hehl daraus gemacht. Da waren die Pietisten des Erzgebirges, die schon Pater Gordian, dem Jesuiten und Volksprediger aus Leipzig, aufgefallen sind als Brüder und Schwestern im Geist.
Da wir politisch vom DA (Demokratischen Aufbruch) herkamen, machen wir uns heute noch Gedanken über die richtige Richtung in der Politik. Daran hindert nicht die
Freude darüber, dass wir es geschafft haben mit Angela Merkel und Joachim Gauck bei allen bitteren Pillen und Wermutstropfen, die jede weltliche Freude so zu bieten hat.
Oder endlich der Aufsteller bei Leipzig. – Autobahn 9: Leipzig, Stadt der Friedlichen Revolution. Oder auch die Palme aus der Nicolaikirche draußen auf dem Markt. Oder an unserem Pfarrhaus : Station auf dem Weg für Recht und Demokratie: “Hier trafen und treffen sich der Friedenskreis und die Altenburger Akademie, um brisante Themen der DDR/BRD zu diskutieren. Medaillon 13.Dez.2013 Friedrich-Schiller-Universität, überreicht durch den Minister für Justiz in Thüringen. Oder der Anstecker im Erinnerungsjahr 2014 für Zivilcourage 1989, angesteckt durch Christine Lieberknecht in Gera. Die Kirche muss ein Scharnier bleiben zwischen Volk und Regierung, damit sich die einen von den anderen nicht einfach so abschotten können, dass es unheimlich wird. Wir haben es erlebt wohin das führt. Überflieger en gros. Ich begleite meinen Sohn in seinem Jugendpfarramt im Werratal, in der Arbeit mit Romas, die in Altenburg angefangen hat.Vikare, die inzwischen gestandene Pfarrer und Pfarrerinnen sind. Gott sei es gedankt.Und nicht zuletzt meine ehemaligen Gemeinden in Stadt und Land. Wenn ich die Täuflinge von damals sehe, die Schüler…du musst kein Wutbürger werden, aber ein Zeitgenosse bleiben, der weiterhin Verantwortung übt. Im Beten und Tun. Und überhaupt: das ist der Schlüssel. Nicht über die Leute reden, sondern statt einer Meile, um die sie Dich bitten, zwei Meilen mit ihnen gehen, wenn es deine Kräfte erlauben. Das habe ich auf meinen „Universitäten“ gelernt, den anderen (Maxim Gorki – Der Bittere), in „meinen“ Dörfern und in „meiner“ Franziskanerkirche am Markt in der Stadt. Ich hoffe, die Türen werden nicht zugemauert.
DANKE!


Bilder eines englischen Malers, der in Altenburg/Thüringen zu Hause ist- wie man sieht. Natülich etwas fantasy.

Titel der Wendezeit und der Lebensfreude in Vollmershain mit Klingendem Spiel der Arbeiterklasse in einem traditionell CDU-geprägten Bauerndorf Ostthüringens.

Die Kirche der Revolution mit dem Revolutionspfarrer. In seiner ersten Pfarrstelle (Arbeiterdorf und Filiale Mannichswalde/jetzt Sachsen: Roter Pfarrer).


Mittagsgebet

Sie klingt jetzt: Freiheitsglocke

Brüdergasse 11, 04600 Altenburg mit Übernachtungsmöglichkeit

Berliner Zeitung Zehner Jahre, Zitat Rückseite

Es fehlt: Weltbild, Menschenbild, Gottesbild.
Die Übersetzung: Freude (überschwengliche Freude/Paulus/Philipperbrief); Umkehr(…wer nicht umkehren kann risiert abzustürzen…meine Laienerfahrung im Gebirge), Zeitpunkt (wer ihn verpasst macht sich schuldig!- Biblisches Wissen). Das Henkelkreuz ist ein ganz wichtiges Zeichen in Ägypten (Kopten) und wurde 1988 vom damaligen Kaplan Mothes der Epiphaniasgemeinde Altenburg eingebracht.

Das erste Kapitel des Buches Glauben und Erkennen in der Wendezeit 89, als OFFENE KIRCHE im Inhaltsverzeichnis apostrophiert, ist somit hier abgebildet.
Einen schönen 7. Sonntag in der Trinitatiszeit 2025!
SCHALOM! WOSKRESSENIE!
Michael Wohlfarth
Details
Einband
Taschenbuch
Altersempfehlung
1 – 99 Jahr(e)
Erscheinungsdatum
22.01.2024
Herausgeber
Verlag
Seitenzahl
128
Maße (L/B/H)
0,9/12,5/0,7 cm
Gewicht
133 g
Auflage
4. Auflage
Sprache
Deutsch
ISBN
978-3-7584-6314-3
Herstelleradresse
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